Der Internationale Eisenbahnverband (kurz: UIC) hat in einer umfassenden Studie mit 15 Experteninterviews in sieben Ländern eine vorsichtige Prognose zu der Entwicklung der Technologie und Digitalisierung der Eisenbahnbranche über die kommenden zehn Jahre gestellt.
Im Rahmen der Interviews legten die Experten einen besonderen Fokus auf Trendthemen wie 5G, Big Data, Robotik und Augmented Reality- und Virtual Reality –Anwendungen (kurz: AR bzw. VR).
Das Thema der Digitalisierung und technologischen Innovationen beschäftigt die Bahnbranche schon seit geraumer Zeit. Durch die Pandemie haben viele Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Virtualisierung und Digitalisierung von Lerninhalten und Bürotätigkeiten, große Fortschritte gemacht und gehören für viele Menschen mittlerweile zum Alltag. Andere Entwicklungen, wie z. B. AR oder Drohnen, gelten hingegen noch als „exotisch“ und werden mit einer gewissen Skepsis betrachtet.
Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine
Viele Tätigkeiten der Bahnbranche werden nie durch Technologien ersetzt werden können, aber fast jedes Berufsbild wird von technischen Innovationen in Verbindung mit 5G, Big Data Analysen, VR bzw. AR, intelligenten Sensoren sowie Drohnen und Robotik beeinflusst werden. Eine Interaktion von Mensch und Maschine zur Unterstützung körperlicher und geistiger Arbeiten wird langfristig die Anforderungen an die Mitarbeitenden und das Berufsbild verändern.
Wo können neue Technologien im Bahnverkehr eingesetzt werden?
Technologien können, manchmal in Kombination, eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten in der Bahnbranche übernehmen. Dazu gehören „körperliche“ wie auch „geistige“ Aufgaben.
Z. B. können über 5G große Datenmengen übertragen werden, welche von intelligenten Sensoren an Weichen erfasst und von einer künstlichen Intelligenz über ein Analyseprogramm interpretiert werden. So lässt im Schadensfall eine schnelle Fehlerdiagnose durchführen oder vorausschauende Instanthaltungen veranlassen.
Im Bereich der körperlichen und manuellen Arbeit ist der Einsatz von Robotik, z. B. in Form von Exoskeletten, eine Möglichkeit, menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu verstärken. Ebenso ist der Einsatz von AR oder VR zur unterstützenden Fehlersuche in verschiedenen Bereichen der Bahnbranche denkbar.
Der Einsatz von Drohnen, zum Beispiel zu Überprüfung der Böschung und des Bewuchses an den Gleisen ist ebenfalls eine sinnvolle Integration neuer Technologien in die Arbeitsabläufe der Gleiswartung. In ferner Zukunft lässt sich die Böschung eventuell mit Hilfe einer KI automatisch zurückschneiden. Ebenso könnten Drohnen unterstützend zur Überwachung großer Gleisanlagen eingesetzt werden.
Auch andere manuelle Prozesse, wie die Ticketkontrolle in den Zügen, ließe sich mit entsprechenden Technologien digitalisieren. Das Tätigkeitsprofil des Zugbegleiters würde sich dementsprechend ändern und der Umgang und die Arbeit mit den entsprechenden Technologien mehr Raum im beruflichen Alltag einnehmen.
Mit diesem Prozess werden gleichzeitig neue Berufsgruppen in die Branche integriert, welche vorher nicht als typische Bahnberufe bekannt waren. Dazu gehören z. B. Datenanalysten oder Systemingenieure.
Wie werden sich die Berufe und ihre Anforderungen ändern?
Der berufliche Alltag verschiedener Jobs wird sich über die kommenden 10 Jahre ändern und an die Digitalisierung angepasst werden. In einigen Feldern werden mehr Mitarbeitende benötigt werden, bei anderen ändert sich die Art der Qualifikation oder die Anzahl der Stellenangebote wird tendenziell zurückgehen.
Tätigkeiten, wie IT basierte Berufsgruppen, die bisher noch nicht als klassische Bahnberufe gelten, werden zunehmend in die Branche integriert werden. Gleichzeitig dehnt sich der Aufgabenbereich einzelner Angestellter aus. Der Anteil der Aufgaben, die innerhalb der kommenden zehn Jahre durch KI übernommen werden, wird in einigen Bereichen (z. B. Signale und Telekommunikation, Energieversorgung oder Infrastruktur) steigen. Neben klassischen Programmiertätigkeiten gehören hierzu auch die Elektroingenieure.
Berufsbilder anpassen: Wie die Mitarbeitenden in die Veränderungen eingebunden werden
Um die Mitarbeitenden in diesen Prozess zu integrieren, müssen die Aus- und Weiterbildungen entsprechend angepasst werden, um Ängste vor er neuen Technologie zu nehmen und Hemmschwellen abzubauen.
Dazu gehören:
- Qualifizierungsangebote, um die neuen Technologien adäquat zu vermitteln
- kurze (bevorzugt digitale) Lerninhalte, welche Änderungen vermitteln
- selbstverantwortliches Lernen der Mitarbeitenden
- Lernszenarien, die Technologien mit passenden Inhalten verknüpfen, um die Mitarbeitenden bestmöglich auf die Arbeitswelt vorzubereiten
Ein geschützter Raum zur Erprobung der neuen Aufgaben und Arbeitsabläufe kann sehr hilfreich sein, damit die Mitarbeitenden schnell handlungssicher werden.
Dabei finden die neuen Technologien nicht nur im Berufsleben, sondern werden in der Ausbildung bereits eingesetzt. Neben Soft Skills wie Kommunikation, Problemlösungskompetenz und Kreativität werden Digital Skills wie IT-Grundkenntnisse immer mehr in den Fokus rücken.
Für die Wissensvermittlung werden Technlogien wie KI, Lernplattformen und Chatbots, wie sie zum Teil bereits während der Pandemie Anwendung gefunden haben, einen immer höheren Anteil unter den verschiedenen Lernformaten einnehmen.
Technologien wie VR oder Simulationen bieten den Lernenden zusätzlich die Möglichkeit, Szenarien zu erforschen und Fehler zu machen, die in der Realität einen großen Sach- oder sogar Personenschaden verursachen würden.
Darüber ermöglichen digitale Lernangebote eine zeitlich und örtlich ungebundene Wissensvermittlung.
Quelle: Deine Bahn. Einfluss digitaler Trends auf Arbeitsalltag und berufliche Qualifizierung. Juli 2020. Seite 12 – 16.
Bild: Deutsche Bahn AG / Skydeck